Mittwoch, 6. Juni 2007

Der zweite Tag, 19.05.07: Von Mauthausen bis nach Szeged

Heute gefahren: 656 km

Frühstück um acht. Wir sitzen im liebevoll ausstaffierten Wohnzimmer der Zimmerwirtin und setzen uns an den gedeckten Frühstückstisch, nippen am Bohnenkaffee und werden in aller Ruhe wach und wacher.



Mann haben wir Zeit! Wir plaudern und erfahren von den 11 Enkeln der Oma Auböck. Wir bewundern die bestickten Kissen und philosophieren über den Sinnspruch: „Tut der Mann der Frau das Geld hingeben, schenkt sie ihm ein schönes Leben.“ Oder so ähnlich. Wir Männer gucken skeptisch. Aber den Frauen gefällt die Weisheit. Heute steht Szeged auf dem Etappenplan – laut Helmut die zweitschönste Stadt Ungarns. Muss also ziemlich schön sein, aber noch haben wir uns nicht selbst überzeugen können. Ich träume derweil von Szegediner Gulasch. Da fällt uns gerade noch die heutige Tagesaufgabe ein. Ein österreichisches Rezept mit Käse. "Toast Hawaii" meint die Wirtin. Klingt aber so gar nicht alpenländisch. Wir einigen uns auf Topfenknödel, schließlich ist Topfen ein anderes Wort für Käse, äh Quark und irgendwie glauben alle, dass Quark ein Nebenprodukt der Käseherstellung sei. Die Wirtin schleppt zwei Kochbücher an und überfordert uns mit der Auswahl. Wir nehmen dann irgendetwas und schreiben auf:
Man nehme 250 g passierten Topfen, 1 El Nockerlgries, 1 El Mehl, 1 El Brösel, 1 EL Wasser und etwas Salz. Den Topfen mit Grieß, Bröseln und Salz vermischen und 30 Minuten ziehen lassen. Dann das Ei und das Mehl daruntermischen. Aus der Teigmasse kleine Knödel formen, diese in kochendes Salzwasser geben und 6 min ziehen lassen.
Klingt einfach, ist aber sauschwer - weil der Topfen entweder wie Sekundenkleber am Löffel pappt oder vorschnell ins heiße Wasser tropft, ohne sich um die Knödelform zu scheren.
Macht nix. Die Rennleitung muss es nachkochen! Und jetzt geht es los. Noch ein paar Gastgeschenke verteilt, die obligatorische Quittung – Übernachtung nur 10 Euro pro Person - mitgenommen und die Einladung der Wirtsleute zu einem Nuss-Schnaps ausgeschlagen. Dann sitzen wir im Auto und fahren durchs Donautal. Mann ist das schön hier!
Die Donau zieht gemächliche Schleifen, irgendwelche Klöster oder Schlösser tauchen auf und die Sonntagsfahrer vor uns gucken sich das im Schritttempo an. Wenn das so weiter geht, brauchen wir für 60 km zwei Stunden! Dann tauchen auch noch die Autos vom Schwabenpfeil vor uns auf – wie erwartet mit geringem Gasdruck auf den Pedalen. Als wir dicht hinter denen fahren, biegen sie plötzlich abrupt nach links ab, auf einen Schotterweg unter einer Unterführung durch und dann stehen wir alle in einem Steinbruch, umringt von grün angezogenen Männern, die offenbar Sprengungen vorbereiten. Wie sich später herausstellt, wollten die sich zum Tontaubenschießen zurückziehen und wurden dabei von sechs deutschen Rallyefahrzeugen gestellt. Nach einem „Hallo erstmal“, gibt es 5 Minuten Small Talk. Entfernt uns zwar von unserer eigentlichen Aufgabe, aber nett wars. Dann, beim Verlassen des Steinbruchs passiert etwas Wunderbares – die Schwabenpfeile biegen falsch ab, vermuten die Donaubrücke in der anderen Richtung. Na dann gute Fahrt, liebe Kameljäger.
Es muss so zwischen 11 und 12 Uhr sein, als wir die Gegend um Wien erreichen – etwa 15 Stunden später als geplant. Wir kurven durch winzige Dörfer, die so schön sind, dass uns hier immer mehr Rallyefahrzeuge begegnen. Jetzt aber keine billigen Gurken oder Youngtimer wie wir sie fahren, sondern echte Oldies, klassische Automobile, elegante Roadster aus Zeiten, da auch ich noch nicht geboren war.
Immer wieder stellen sich Bahnübergänge in den Weg, die von uns gewählte Straße wird zigmal vom gleichen Zug gekreuzt. Ja Himmelhergottkruzifixnochmal!
Dann sind wir in Ungarn. Passieren die Grenze bei Sopron gegen 13.00 Uhr. Geschafft! Wir feiern das gleich mal mit einem Mittagessen. Es sieht ganz so aus, als beginnt nun der erfreuliche Teil der Reise. Für einen Betrag von umgerechnet 6 Euro tischen die freundlichen Ungarn wahre Fleischberge auf. Glückliche Ungarn! Wer solche Grillplatten hat, braucht keine Döner! Sprachschwierigkeiten gibt es erst beim Bezahlen – anstatt die verzehrten Speisen abzurechnen, nimmt ein freudiger Kellner unsere Bestellung noch mal auf und will die Information umgehend an die Küche weitergeben. Es ist beinah schon 15.00 Uhr als wir weiterfahren. Sopron-Szeged, das sind 300 km – schaffen wir in 5 Stunden.
Keine Ahnung wieso wir es nicht geschafft haben. An den Straßen kann es kaum gelegen haben, sie zogen sich durch liebliche Dörfer schnurgerade dahin. Ungarn ist flach wie eine Flunder, selbst die netten Häuschen bringen es nur auf eine eingeschossige Bauweise. Wir rollen an ihnen vorbei und staunen: Wir haben offenbar die Straße der Störche erwischt. In jedem Dörfchen gibt es gleich mehrere Storchennester – und jedes wird bebrütet. Die Storchennester sind dabei gar nicht hoch angebracht – 15 bis 20 Meter denke ich, sie ruhen auf Strom- oder Lampenmasten. Dass man ohne Beachtung der Verkehrsregeln und Geschwindigkeitslimits schneller vorankommt, sehen wir ein kurzes Stück später. In einem Affenzahn rast das Elferteam – die warn’s doch oder? – an uns vorbei. Na, deren Strafzettel wollen wir mal sehn!
Und wo bleibt bei diesem Höllentempo das Sightseeing? Sicher ist das Elferteam auch an dem leckeren Wurststand vorbeigerast, den wir am Straßenrand entdeckten. Paprika getrocknet, Paprikapulver und mit Paprika gewürzte Salamis – mehr bieten die Menschen hierzulande nicht feil. An einem Stand, wo die Würste so friedlich baumeln wie die Kugeln an der Weihnachtstanne kaufen wir ein Kilo. Zu wenig! Die Wurst schmeckt dermaßen gut, nahezu unglaublich lecker und das merken auch die Teamkollegen. Nach ein paar Kilometern ist sie gegessen. Ade du Gute! Ach wenn es doch einen Internetshop gäbe, wo ich dich online nachbestellen könnte!!
In den Präambeln zur Rallye Allgäu Orient heißt es, die Rallye diene der Völkerverständigung. Das können die Macher aber nicht in vollem Bewusstsein geschrieben haben. Denn wer sich der Völkerverständigung widmet, muss zwangsläufig das Lenkrad loslassen und damit auf den Sieg und das Kamel verzichten.
Als wir gegen 23.00 Uhr in Szeged eintreffen, sind wir wieder mal viel zu spät – ich schätze gegenüber der Planung (am grünen oder braunen Tisch von Hasmillers Wohnzimmer) haben wir erneut ein paar Stunden eingebüßt. Und Zimmer haben wir auch noch keins. Denn jetzt trifft uns ein weiterer folgenschwerer Faux Pas mit unvermittelter Härte: Ganz Szeged feiert. Ohne uns! Das berühmte Weinfest findet statt, wir hören Musik und fröhliche Menschen, sehen um die Ecke ein paar Wein- und Imbissstände hervorblitzen, müssen uns aber erstmal um einen Schlafplatz kümmern. Katja spricht einen jungen Mann an. Volltreffer. Der Typ steigt nach langem Palaver in den Audi und lotst uns zur Jugendherberge. Fehlanzeige. Alle Zimmer belegt. Dann steuern wir die Pensionen in der Nähe an. Währenddessen brennen die Szegeder zum Ende des Weinfestes oder zu unserer Begrüßung ein Feuerwerk ab. Herrlich, aber ein Schlafplatz wäre uns lieber gewesen. Den bekommen wir dann auch, als wir zu einer Gruppe wohlhabender Ungarn stoßen, die sich offenbar an einen Bekannten erinnern, der über ein leerstehendes Gebäude in der Innenstadt verfügt. Das ist zwar schwer renovierungsbedürftig, aber billig!



Wir mieten zwei Etagen, verfügen so über 200 qm Wohnfläche, zwei Klos, zwei Küchen und etwa 30 Betten, die wohl nicht zum ersten Mal als Notunterkünfte dienen. Solange wir nicht in den Betten liegen, sondern noch am Küchentisch sitzen, fühlen wir uns pudelwohl. Nach ein paar Glas Wein und zwei Schnäpsen geht es uns sogar richtig gut. Dass es in den Ecken vor Mäusekot wimmelt, entdecken wir erst am nächsten Morgen als wir die Koffer wieder ins Auto räumen.
Und wie war Ungarn so? Keine Ahnung. Auf jeden Fall viel zu lang.

Das Rezept aus Ungarn. Ja, das haben wir quasi so nebenbei erledigt. Helmuts Kontakten zur ungarischen Damenwelt sei Dank.



Bei der freundlichen Alexandra (eine SMS-Freundschaft?) laufen wir am Nachmittag ein. Keine Ahnung woher sich die beiden kennen. Aber hilfsbereit ist sie. Auf der Straße verrät sie uns ein Rezept für „Langos“. Und das obwohl sie drei Handicaps hat:
Erstens ist sie gerade am Streichen ihrer neuen Wohnung.
Zweitens kann sie nicht kochen.
Drittens haben wir sie überrumpelt.
Wir erhalten erste Bruchstücke eines Rezeptes, das sie von ihrer Nachbarin geholt hat, sofort und auf der Stelle. Ehrlich und gewissenhaft wie die Ungarinnen nun mal sind, reicht sie uns per SMS eine kochbare Fassung nach. Das ganze Rezept gibt es dann morgen, wenn ich es eingescannt habe. Aber bitte keine Rückfragen!

2 Kommentare:

Helmut hat gesagt…

Hallo Bernd,

bitte nicht zu detailiert,
bin gerade bei einer anderen SMS-Freundschaft und hab richtig Ärger! :-)

Quatsch!
Es handelt sich hier um eine nette Kollegin eines ungarischen Lieferanten von uns!

Ansonsten echt toller Eintrag! :-)

Gruß Helmut

Anonym hat gesagt…

Hallo Rallyeblogger,

habt Ihr es endlich geschafft. Lange nichts gehört von unterwegs. Ich hoffe es lag nicht an meinem Wein ;-).

Willkommen zu Hause!