Der erste Tag, 18.05.07: Von Oberstaufen bis nach Mauthausen
Heute gefahren: 505 km
Das fängt ja schon mal stressig an. Um 6 Uhr aufstehen und dann eine Stunde nach Oberstaufen fahren. Dort gibt es noch vor dem Start ein Weißwurstfrühstück und diverses Unvorhersehbares, was wir uns nicht entgehen lassen wollen. Außerdem, wir können es nicht leugnen: Ein bisschen aufgeregt sind wir schon, als wir in unseren Carlos steigen. Damit wir die Aufregung so voll genießen können, hatten wir schon am Vortag unseren Carlos vollgepackt. Also los geht’s. In Oberstaufen scheint noch nicht viel los zu sein, als wir eintreffen – denkste. Gut 30 Autos stehen schon in der Boxengasse – für die vorbeiflanierenden Zuschauer schön aufgereiht. Wer nicht dabei ist, sind unsere Teamkollegen aus Wolferstadt – dabei waren die schon am Vorabend angereist. Ob die wieder Navigationsprobleme hatten? Ziemliches Durcheinander. Wo geht es denn eigentlich hin? Wo muss man sich noch mal registrieren lassen und wo gibt’s das Weißwurstfrühstück? Irgendwie werden alle Infos per Mundpropaganda weitergereicht.
Inzwischen sind alle Teilnehmer im Kursaal von Oberstaufen eingetroffen – die Teams erhalten Bons und die Information auch ohne Bons soviel Weißwurst essen und Weißbier trinken zu können wie sie nur möchten: kostenlos, versteht sich. Aber irgendwie … vor dem Start will nur ein Weißwurstpärchen in den Magen passen. Das alkoholfreie Weißbier bezwinge ich wegen Geschmacklosigkeit mit Ach und Krach. Auf der Bühne werden noch ein paar Reden gehalten. Muss das denn sein? Schließlich wollen wir losfahren. Jedes Team stellt sich nochmals kurz vor – aber ganz kurz, denn alle wollen weg. Dann geht es an die erste Aufgabe.
Jedes Team erhält eine Flasche mit einem Zettel drin, der erst herausgefischt werden soll. Helmut fischt ein bisschen lange – und so ergattern wir als Team Nr. 8 den Startplatz Nummer 9 – na toll. Man fühlt sich, als sei man schon einen Platz zurückgefallen. Kaum ist der Zettel draußen, heißt es spurten an die Theke vor dem Saal, ein ominöses Teil in Empfang nehmen, das wir bei der Käserei in Jordanien abgeben sollen und eine Karte, mit der nächsten Aufgabe.
Der freundliche Franz vom Schwabenpfeil hat sich da an der Theke eindeutig vorgedrängelt. Aber wir verzichten auf eine verbale Auseinandersetzung. Schließlich wird die Rallye auf der Straße entschieden und da scheinen uns die Jungs vom Schwabenpfeil aufgrund ihres hohen Rentneranteils im Team nicht so gefährlich.
Noch vor dem Start dann eine Riesenüberraschung – eine stattliche Delegation aus Wolferstadt ist angereist und enthüllt nun ein Transparent von Ausmaßen, die einer Anti-Bush-Demo zu Ehre gereichen würden.
Genial!!! Wir sind das einzige Team mit Fanclub – auch Katja und ich haben Fan-Unterstützung von Fabi, Sabine, Claire-Marie, Eva, Horst und einem Freund aus Hamburg. Am Start selbst drückt mir jemand noch ein Mikrofon unter die Nase. Ich versteh zwar nix, aber sage irgendwas. Die Menge tobt. Wilfried Gehr steht draußen auf einem Podest und brüllt nach Kräften in ein weiteres Mikrofon. Ein Priester bespritzt unseren Carlos mit Weihwasser, Katja bewirft die Zuschauer mit Gummibärchen-Tüten – und dann geht es los.
Die erste Aufgabe zeigt schon die ganze Tücke des Organisationsteams. Auf miesen Um- (also kleinen Feldwegen) schicken sie uns nach Steibis, wo wir das Roadbook in Empfang nehmen sollen. Wer hier mitdenkt, hat schon das erste Mal gepatzt. Denn einige superschlaue Leute wählten eine Abkürzung und vergeigten dabei die ersten Wertungspunkte. Denn das brave Befahren der vorgegebenen Strecke wurde von einem Streckenposten kontrolliert.
Endlich halten wir das Roadbook in den Händen. Zum Lesen keine Zeit. Wir fahren sofort weiter und kümmern uns um die erste Tagesaufgabe. Sie lautet: Lasst euch mit drei Uniformierten fotografieren. Auf dem Bild müssen alle Autos und alle Teammitglieder sein. Na prima, denken wir. Polizisten gibt es doch überall. Während dem Fahren lesen wir, dass es neben den Tagesaufgaben auch Länderaufgaben gibt. Das sind sie:
In jedem Land, das wir durchfahren, müssen wir eine bestimmte Sorte Wein einkaufen.
Aus jedem Land, das wir durchfahren, müssen wir ein Rezept mitbringen, das Käse enthält, wobei das Roadbook den freundlichen Hinweis enthält, dass sie Käsebrötchen nicht als Rezept durchgehen lassen.
Jeder Grenzübertritt muss durch einen Stempel im Roadbook dokumentiert werden.
Unser Tagesziel für heute lautet: Wir müssen hinter Wien kommen. Was wir für einen Klacks halten. Falsch, falsch. Am Ende des Tages haben wir dieses Etappenziel um einige Kilometer verfehlt. Wir landen gegen 20.30 Uhr in Mauthausen an der Donau – ein Ort, der so traurige Berühmtheit erlangte wie Dachau oder Auschwitz. Albert und Petra, die die Donaugegend von einer frühen Radtour her kennen, wissen wie man zu einem Zimmer kommt – in einem Hauseingang der Tourist Information hängt ein Terminal für die Zimmersuche. Wir landen in einem wunderbaren Wachauer Bauernhof, erfahren, dass es dort nichts mehr zu essen gibt und auch in ganz Mauthausen nicht. Also fahren wir ins Örtchen Perg wo wir auf zwei Mitglieder des Schwabenpfeils treffen: den kugelrunden Peter und den Gute-Laune-Franz, der während der ganze Reise strahlt, weil er zwei Tage vor Rallyeantritt ins Rentnerdasein geschickt wurde. Die beiden offenbaren uns unverhohlen ihre schwäbische Pfiffigkeit. Sie haben im ersten Hotel am Platze Quartier bezogen – die Zimmer kosten nur 10 Euro, allerdings müssen sie ein sündhaft teures Frühstück bezahlen. Zur Ehrenrettung des Teams schlafen die anderen Mitglieder auf dem Campingplatz bei Regen.
Die Tagesaufgabe bewältigten wir dann übrigens noch kurz vor Sonnenuntergang. Nachdem in ganz Deutschland keine Polizisten auf der Straße zu sehen waren, haben wir mal zwei Polizeistationen in Deutschland angesteuert. Wusstet ihr, dass sich die Polizei hinter einer Sprechanlage verschanzt? Haben die Angst vor Ganoven? Die Sprechanlage beteuerte in beiden Fällen völlig allein zu sein und keine drei Uniformierten abstellen zu können. Das war in Österreich dann anders. Dort konnte man wenigstens die Wache noch betreten und den beiden anwesenden Polizisten das Anliegen persönlich vortragen. Und es half: Sie schickten uns auf einen Fußballplatz, auf dem mehrere Uniformierte Dienst schoben oder einfach nur das Spiel anguckten und instruierten sie noch vor unserer Ankunft.
„Ötz sans doah die Deitschn!“, rief der erste Polizist, der uns an den Rallyeautos erkannte. Noch mal schön vor dem Auto aufgebaut, eine Runde Smalltalk, ein paar Geschenke verteilt – und wir hatten das Bild im Kasten.
Äh noch was. Am gleichen Tag haben wir auch vorgearbeitet und die Tagesaufgabe des nächsten Tages gelöst. Wir haben unsere Fahrzeuge vor einer Weide mit zehn österreichischen Kühen fotografiert. Wer weiß, ob die Ungarn überhaupt Kühe haben? So viel Mogelei darf sein, oder?
Warum wir unser Tagesziel „bis hinter Wien zu kommen“, nicht erreicht haben?
Weil wir keine Ahnung hatten, wie langsam man auf der Landstraße vorankommt. (Den eingeplanten Tagesschnitt von 60 Stundenkilometer konnten wir jedenfalls vergessen.)
Weil uns das gemeine Organisationskomitee in Oberstaufen so lange aufgehalten hat.
Weil wir eine Stunde beim Kaffeetrinken und Eisessen vertrödelt haben.
Spätestens als wir um 0.30 Uhr satt in die einfachen Bauernbetten fielen, war uns klar – das würde für lange Zeit der letzte geruhsame Abend sein. Wir waren schon am ersten Rallyetag im Hintertreffen.
4 Kommentare:
Hallo Bernd,
der erste Tag ist spitze zusammengefaßt! Ich hoffe die folgenden Tage werden genauso ausführlich beschrieben und mit Bildern dokumentiert!
Macht bestimmt viel Arbeit, aber rein nach dem Motto: "Welcome! No problem!"
Gruß Helmut
Danke für die motivierenden Worte. :-) Der zweite Tag folgt in Kürze.
Hallo Bernd,
hab deinen Bericht heute schon zum zweiten Mal gelesen.Kann gar nicht genug kriegen. Echt super!!
Schau mal das du fertig wirst, halb Wolferstadt und auch die Arbeitskollegen warten schon auf deinen Vortrag in Wolferstadt.
Ich glaub da kommst du nicht mehr drumrum.(;-)
mfg
Aui+ Simone
Vortrag?
Meinst Du, es ist möglich, dass man den Vortrag auch online verfolgen kann?
Wär mal wieder Zeit für eine Online-Blogger-Konferenz :-)
Gruss
Susanne
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