Montag, 11. Juni 2007

Der vierte Tag, 21.05.07: Von Nagylak nach Istanbul

Heute gefahren: 647 km

Wir verlassen das Motel nach einem ausgiebigen Frühstück gegen Acht. Da wir den Motelstandort so geschickt in Grenznähe gewählt haben, müssen wir nur einmal nach links abbiegen und schon befinden wir uns auf einer einsamen Straße, die in Richtung Grenzübergang führt. An einem Mauthäuschen halten wir an und zahlen Brückenzoll. "Wofür denn?", denke ich. Denn danach passieren wir eine Miniüberführung. Das soll es gewesen sein? Die eigentliche Brücke kommt dann und verschlägt einem den Atem: ein protziges stählernes Wunderwerk, das sich beinah endlos über die unter uns liegende, verdammt breit gewordene Donau spannt.

An dieser Brücke hat man mehr Material verbaut als am Eiffelturm! Bloß, so alt ist sie gar nicht: Die Giurgiu-Russe-Freundschaftsbrücke wurde von P. Andreew entworfen und zwischen 1952 und 1954 gebaut und am 20. Juni 1954 eröffnet. Auf zwei übereinander angeordneten Ebenen wird der Straßen- und Eisenbahnverkehr 1 Kilometer über die Donau geführt. Wir schießen ein paar eindrucksvolle Bilder, die die aus dem Nebel vor uns auftauchende Brückenkonstruktion zeigen – obwohl wir in Grenznähe unsere Kameras nie gezückt hatten. Egal, so viel Dokumentation muss sein!
Heute ist übrigens der Tag! Der Tag, an dem wir Istanbul erreichen. Um das noch zu einem halbwegs frühen Zeitpunkt und nicht als letzte zu schaffen, haben wir folgenschwere Veränderungen an unserer Routenplanung vorgenommen. Die Vorbeifahrt an der Schwarzmeerküste wurde gestrichen. Zwar sagten einige von uns, sie hätten gerne mal das Schwarze Meer gesehen. Sie wurden aber leicht mundtot gemacht mit dem Argument, dass wir die anderen Tage auch nichts gesehen hätten außer Leitplanken. Warum dies ausgerechnet heute anders sein soll? Leuchtete ein. In Bulgarien hatten wir übrigens einen treuen Begleiter. Eine Schlechtwetterfront, die mit uns durchs ganze Land zog. Bestimmt ein Drittel der Bulgarien-Durchquerung mussten wir unter erschwerten Bedingungen zurücklegen. Wolkenbrüche prasselten auf unsere Autos und unterzogen sie einer porentiefen Reinigung. Die zahlreichen Rallyeaufkleber mussten ihre ganze Klebkraft beweisen, um nicht von der Karosserie gespült zu werden. Dafür verloren die Räder des Öfteren die Bodenhaftung und wurden nach und nach zum Ablegen des Freischwimmerzeugnisses genötigt. Der Audi Quattro spritzte vor uns 6 Meter hohe Fontänen und der kleine Carlos Santana tat es ihm nach. Nicht weniger spritzig, aber umso tiefer schob er sich durch Straßen, die stellenweise bis zu 50 cm hoch überflutet waren. Ungelogen - dort unten am Straßengrund spürte man keinen Teer mehr, der ganze Belag war Sand, Kies oder Geröll gewichen.


Irgendwie wollten wir alle nur noch so schnell wie möglich weg. Bei unserem letzten Tankstopp in Bulgarien fiel uns ein, dass wir aber noch etwas brauchten: ein landestypisches Rezept. Die Aufgabe lösten wir, wie wir fanden, mit höchster Bravour - aber der Weg zur Lösung war unerwartet schwierig. Es lag an den Sprachschwierigkeiten. Die Jungs von der Tankstelle, äh dem Tankstellenkiosk, und die herbeigerufenen weiblichen Angestellten kapierten zwar schnell, dass wir irgend etwas mit „Essen“ wollten, aber was genau, konnten wir lange nicht begreiflich machen. Erst sah es so aus, als würden sie uns was kochen, dann änderte sich blitzschnell die Situation und sie zerrten Katja vor den Kühlschrank, zeigten ihre Käsevorräte. Offensichtlich dachten sie, wir wollten eben mal ihre Küche kapern oder wir seien von der EU-Lebensmittelkontrolle. Wie auch immer. Es hat am Ende geklappt. Nur, dass das bulgarische Rezept von einem türkischen Kioskbesitzer und dessen russischer Angestellten stammte, demnach in kyrillischer Landessprache verfasst war und mit Sicherheit keinen Funken Bulgari enthielt. Klasse! Um das Organisationskomitee abzuspeisen, würde das Rezept schon genügen, dachten wir. Zum Dank deckten wir die gesamte Küchencrew mit Werbegeschenken ein. Was ein Fehler war. Denn die beschenkten uns dann wiederum allzu reichlich mit Tüten eines seltsamen Getränks, auf dem Orangen und Erdbeeren abgebildet waren. Laut englischer Zutatenliste bestand es jedoch nur aus chemischen Verbindungen, die für Farbe, Geschmack und Magenschmerzen sorgten.
An der türkischen Grenze hätten wir gerne deutsche Effizienz eingeführt. Zu zeitraubend und langwierig war die Prozedur. Man muss sich vorstellen: der Grenzübertritt eines einzigen Team-Mitgliedes erforderte auf türkischer Seite schon den Einsatz von mindestens 5 Beamten und deren Vorgesetzten. Einer vergab einen Stempel, der andere kontrollierte ihn, jemand trug im PC ein, was der andere in den Pass eingetragen hatte und am Schluss stellte sich - zumindest bei Katja und mir - heraus, dass wir nicht rüber durften: „Bernd, wir haben ein Problem“, meinte der Zöllner. Unser Problem bestand darin, genau einen entscheidenden Stempel zu wenig im Pass gehabt zu haben. Also Rolle rückwärts und noch mal beim Zoll angetanzt, der das Auto dann einer Blitzinspektion unterzog, dabei diverse Bier- und Weinvorräte entdeckte und uns trotzdem schnell weiterfahren ließ. Mit Stempel. Albert und Petra hatten die falsche Schlange erwischt. Oder einen Zöllner, dessen Stempelkissen vertrocknet war. Jedenfalls dauerte bei ihnen die Prozedur am allerlängsten, so dass wir anderen schon Gelegenheit hatten, über die letzte Tagesaufgabe nachzudenken. Die hieß: „Besorgt eine türkische Flagge und schmückt Euer Auto damit.“ Ich will euch nicht allzu lange damit aufhalten, deshalb hier gleich die Lösung. Am Start in Oberstaufen hatten wir eine kleine Hamburg-Flagge geschenkt bekommen. Die tauschten wir jetzt mit großer Geste bei einem Dönerstandbesitzer am Highway Richtung Istanbul gegen eine türkische Flagge ein. Mann, das war feierlich. Wir standen da wie die Sportler beim Abspielen der Nationalhymne, er rollte das türkische Papierfähnchen vor der Übergabe sorgsam ein und dann war auch diese Aufgabe gelöst.

Wisst ihr, wann wir im Hotel bei Istanbul einliefen! Um 20.30 Uhr! Damit lagen wir noch im Mittelfeld aller Teams und das, obwohl wir nur 80 km regelwidrig Autobahn gefahren waren! Die ersten sind angeblich schon gegen 16.00 Uhr eingetroffen. Na ja, aber viele andere halt noch hinter uns. Ein mieses Hotel hatten die Veranstalter da ausgesucht – mit Einheitsessen für alle, das 11 Euro kostete und nach nix schmeckte. Andere mokierten sich über die hohen Bierpreise. 2,50 für 0,3 l.!!!!! Und das heute, wo alle Teams einen ausgezeichneten Durst hatten. Auch das war enttäuschend – dass die Leute vom Organisationskomitee als letzte ankamen. Es hieß, die hätten irgendwo noch fein zu Abend gegessen. Falls ihr das mitlest – wir hätten eine nette Begrüssungsansprache und einen gemeinsame Abendveranstaltung erwartet! Egal. Wir rächten uns an dem Hotel, indem wir eine Parkplatzparty feierten. Diverse Biere, Weinflaschen, Obstler etc. wurden vor den Augen der Kellner geleert. Aber das nicht schnell, sondern ganz laaaaangsaaaaaam. Das Ganze ging so lange, dass sich die anderen Teammitglieder irgendwann aus den müden Augen verloren und jeder nach seiner Kondition weiterfeierte oder zusammenbrach. Was zwischen 1 und 5 Uhr morgens geschah, können vielleicht Helmut und Aui berichten. Auf alle Fälle entstand in dieser Nacht die alkoholumkränzte Idee einer Fahrerwette, die für Amman mit dem Team aus Tirol fix verabredet wurde.

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