Donnerstag, 7. Juni 2007

Der dritte Tag, 20.05.07: Von Szeged bis nach Mako

Heute gefahren: 691 km

Kurz nach 7.00 Uhr geht es heute los. Ich will nicht nachrechnen wie weit wir schon zurückliegen und wie viel Kilometer es noch bis Istanbul sind. Wir wissen nur eines: Wir müssen fahren, fahren, fahren. Die miesen schlaglochgespickten Straßen von Rumänien erwarten uns heute, die unbeleuchteten Pferdekarren – wer immer das Stichwort Rumänien erwähnte, vergaß nicht auf die schlechte Straßensituation hinzuweisen. Ohne ein Frühstück, nur mit ein paar Schluck Nescafé im Magen, geht es los. Am Stadtrand von Szeged steuern wir einen Supermarkt an, füllen unsere Ess- und Wasservorräte auf. Am Parkplatz erleichtert mich ein Bettler um einen Euro – er spricht perfekt Deutsch und wird sich mit dem Euro die Rente aufbessern. Um 9.56 Uhr überqueren wir die rumänische Grenze bei Nagylag. Wir sind am 3. Tag unserer Rallye in Rumänien, dem Land das das Elferteam bereits am Vortag erreichte! (Saublöde Gerüchte!) Was dann über 600 km folgte, ist für die Nachwelt oder die interessierten Leser kaum berichtenswert – über Stunden sehen wir nur die Rücklichter von Lastwagen. Haste einen überholt, warten zwei neue auf dich. Und so weiter. Der Verkehr ist wirklich abartig dicht in Rumänien, das Verhältnis PKW zu Lkw in etwa 1:2. Wer auf den kurvigen Straßen vorankommen will, muss irgendwann sich ein Herz fassen und überholen – auch dann, wenn sich keine Gelegenheit bietet. Auch dann, wenn der Gegenverkehr nicht einsehbar ist. Auch dann, wenn auf der Gegenfahrbahn reger Verkehr herrscht. An einigen Stellen machen die Rumänen dann blitzschnell eine dritte Spur auf. Geht doch! Kein Wunder, dass so ein Verkehr aggressiv macht. Die Rumänen – ja, ihr könnt das ruhig mitlesen – sind die wildesten Autofahrer auf der ganzen bisherigen Strecke. Sie rasen, drängeln und verhalten sich jederzeit total lebensmüde. Der Straßenbelag dagegen ist ausgezeichnet. Keine Schlaglöcher und auch keine Pferdekarren. Nirgends auf der Strecke war die Polizeipräsenz so stark wie hier. Alle paar Kilometer liegt eine Streife mit der Laserpistole im Anschlag auf der Lauer. Die Leute, die uns soeben in Kamikaze-Manier überholt haben, sehen wir ein paar Kurven weiter am Straßenrand von der Polizei gestoppt wieder. Aber ganz unter uns: Entweder die haben Knete ohne Ende oder die Verkehrsstrafen müssen in Rumänien winzig klein sein. Auf alle Fälle rasen die Temposünder nach kurzem Stopp schon bald wieder an uns vorbei.

Bitte fragt mich nicht, was wir jetzt noch erlebt haben. Wir sind durchs ganze Gebiet der Rumäniendeutschen hindurchgefahren. Auch in Sibiu haben wir nicht angehalten. Immerhin konnten wir eines feststellen. In jedem Dorf schien nur eine Straße geteert – die, wo am schnellsten wieder hinausführt – alle Seitenstraßen waren nur mit Splitt belegt.
Doch, doch in Sibiu stoppten wir – an einem Tesco Einkaufszentrum. Eine kleine westliche Welt in der rumänischen Wüste, wo die Kellnerin auch Latte Macchiato und Cappuccino servierte, der ausnahmsweise mal nicht aus Tütenpulver gemixt war.
Nein, der Tag in Rumänien war nicht besonders spannend. Dafür das Nachtleben. Wie landeten in einem Motel ganz dicht an der bulgarischen Grenze, wo wir unser Abendessen unter 100 db Beschallung schlucken mussten. Irgendwer hatte das Motel-Restaurant gemietet und feierte dort eine lautstarke Hochzeit. Die orientalische Discomusik war jederzeit an der Schmerzgrenze. Für so ein Gedudel muss man wohl geboren sein. Aber mal ehrlich: Wer feiert denn Hochzeit in einem Motel? Entweder gaben sich zwei Fernfahrer das Ja-Wort oder zwei sonstwie Bekloppte. Zum Glück stoppten die musikalischen Gehörattacken dann kurz vor 12.00 als wir, entkräftet von der Dauerbedröhnung, zu Bett gehen wollten. Nachdem wir den Vorabend noch 100 qm genossen hatten, waren wir jetzt auf ein Viertel der Größe in einem Raum zusammengepfercht. Saudumme 10-Euro-Regel. So schliefen wir zu sechst in einem Doppelbettzimmer. Immerhin gab es darin noch ein Schlafsofa und einen orthopädisch verdächtigen Zimmerboden, den Helmut und Aui ganz für sich haben, solange sie nicht unter den Couchtisch rollen. Wobei, ob alle jederzeit schliefen, wage ich zu bezweifeln. Kaum dass wir das Licht ausgeknipst hatten, fing das Hochzeitsgedudel unter uns wieder an. Und hörte nicht mehr auf. So muss es in Guantanamo zugehen! Nur, dass der Schlafentzug dort auf höhere Weisung erfolgt und von Amnesty International angeprangert wird. Gegen den Dauerlärm war die spontane nächtliche Einlage von Petra und Albert eigentlich harmlos. Ich weiß nicht wieso die beiden plötzlich noch mal auf dem Bett herumturnten. Habe es ja nur mit einem Auge beobachtet. Aber es sah aus wie Mücken fangen. Und jetzt schlaft mal alle.
Ach so, noch was, weil ich eh nicht einschlafen kann: Wir sind in ganz Rumänien keinem anderen Team mehr begegnet. Alle anderen haben wir wohl hinter uns oder auch vor uns gelassen. Doof, dass wir genaueres wohl erst in Istanbul erfahren.

2 Kommentare:

Helmut hat gesagt…

Hallo Bernd,

hast ganz vergessen zu erwähnen, dass wir eine große Gruppe deutsche hochdotierte Manager beim Zelten beobachtet haben!:-)

Die etwas andere Art Workshops abzuhalten, oder?

Gruß Helmut

Bernd hat gesagt…

Oh ja!!! Danke Helmut für die Ergänzung. Mein Gedächtnis lässt mich schon manchmal im Stich.