Samstag, 3. November 2007

Der 10. Tag, Teil 2. Der Abend im Wadi Rum



Was soll ich euch über das Wadi Rum besseres sagen als: Es ist so fantastisch, fahrt selber hin und schaut nach! Lawrence von Arabien war da und die Leute, die den gleichnamigen Film über ihn gedreht haben. Also auch die beiden Hauptdarsteller, Omar Sharif und Peter O’Toole.

Der Film erhielt sieben Oscars, wovon mindestens einer an die Landschaft gehen müsste. Das Wadi Rum ist eben nicht Wüste so weit das Auge reicht, sondern eine Wüstenlandschaft, die durch steil aufragende bizarre Felsblöcke verstellt ist. Rötliche Felsen, in denen das Licht je nach Art der Sonneneinstrahlung stimmungsvolle Farben zeichnet.

Wer das Wadi Rum allerdings für eine Wildnis hält, in der man ab und an auf ein paar Kamele und einen Reiter trifft, hat sich geirrt. Das Wadi ist touristisch voll erschlossen – in mehreren Zeltlagern bieten zahlreiche Veranstalter Übernachtungen in der Wüste an. Die Zelte sind komfortable kleine Pavillons, in denen Metall oder Holzbetten stehen – manches sieht ein bisschen wie Ikea aus. Wer einen Abend unter dem Wüstensternenhimmel erwartet, wird enttäuscht werden. Die Zelttüren sind durch zweilagige schwere Decken verschlossen – das soll die Kälte draußen halten. Was es nicht draußen lässt, ist der Lärm. Denn in einigen dieser Zeltlager ist es mit der Ruhe nicht weit her – es gibt dröhnende Dance- und Diskomusik. Vor solchen Lagern hat der Reiseführer gewarnt. Aber genau ein solches Lager haben die Veranstalter der Rallye Allgäu Orient für uns herausgesucht. Stellte sich allerdings erst ein paar Stunden später heraus.

Jetzt ging es ans Orientieren – gibt es Duschen und WC? Welches Zelt wählen wir, wo gibt es Steckdosen zum Laden der Kameraakkus, wo gibt es kühle Getränke, wird es Bier geben? Und vor allem – wie kommen wir jetzt noch vor Einbruch der Dunkelheit mit unserem Team weiter ins Innere des Wadi Rum? Vor dem Eingang zum Lager entdecken wir einen Geländewagen. Genau das Richtige – ob wir den mieten können? Ja schon, aber nicht als Selbstfahrer. Die gleiche Idee hatte wohl Franz, der freundliche Rallye-Oberschwabe. Unsere Teammitglieder waren von dem Mietwagenausflug nicht so begeistert. Die wollten lieber selbst fahren. Also setzte sich unser Guide Audh Al-Hasanat ans Steuer und raste los. Albert und Petra im Opel Frontera hinterher. Dann die beiden Jungs Helmut und Aui im Audi Quattro. Ich sage nur soviel: Man sollte der Audi Quattro Werbung nicht allzu sehr vertrauen. Oder: Ein Auto, das Sprungschanzen hochfährt, kann im kleinsten Sandkasten fahruntüchtig werden. Weil Bilder mehr als Worte sagen, nehmt das hier:



Und weil die Selbstbefreiungsversuche seine Kupplung schon nach wenigen Sekunden in Rauch auflösten, wurde der Audi mit vereinten Kräften aus dem Sand gezogen, ein bisserl angeschleppt und dann tschüß zur Rückfahrt. Müsst ihr halt aufpassen, dass ihr nicht mehr auf weiches Gelände geratet, sondern dort entlang fahrt, wo der Sand schön verdichtet ist. Möglicherweise erkennt man das als Beduine. Aber Wolferstädter sind keine Nomaden.



Zu den Sehenswürdigkeiten unseres Wüstenausfluges gehörte folgendes: Eine begehbare Felsspalte mit einer uralten in den Stein eingeritzten Zeichnung, die das Wadi Rum auf einer Karte darstellt. Die Karte enthält alle markanten Berge und die Wasserstellen. Seltsamerweise waren Berge als Löcher eingezeichnet – je höher ein Berg in Wirklichkeit, desto tiefer das Loche in der Felsplattenkarte. Dann die zweitwichtigste Stelle im Wadi Rum: der Ort, an dem unser Guide geboren wurde – wie es sich für eine Beduinen gehört – in der Wüste im Schatten eines Felsmassivs. Genau einen solchen Schatten wollten wir später noch für uns finden, um Rast zu machen und Tee zu trinken. Genau deshalb stoppten wir immer wieder, um tote Wurzeln als Brennmaterial aus dem Boden zu reißen. Zwischen diesen Stopps rasten oder sprangen wir über die holprige Wüste, der Fahrer brachte das Auto in extreme Schräglage oder stürzte es die Dünen hinunter. Wenn ich das Englisch vorgetragene Beduinenlatein richtig verstanden habe: er fährt schon seit dem 8. Lebensjahr Auto. Mit 12 kaufte er sich das erste eigene und schipperte abenteuerlustige Touristen durch die Weiten der Wüste. Oder so ähnlich.

Wer unseren Fahrer übrigens kennen lernen will – er ist gleichzeitig Reiseveranstalter und Wadi Rum Campbesitzer (mehrfacher). Hier seine Website mit Kontaktadresse.
Übrigens ging es dann viel zu schnell ins Camp zurück. Also ohne Teetrinken in der Wüste. Die Guides hatten Angst vor einem Sandsturm, der am Horizont herankam. Wir empfanden das als Glück: einmal in der Wüste und dann gleich Sandsturm.



Na gut. Trinken können wir auch woanders. Was besonders lecker schmeckte. Das Partyfässchen Rothaus, das die cleveren Oberschwaben gut gekühlt angezapft hatten.

Heutzutage wird ja jeder Touristenabend gleich zum bedröhnten Event. Deshalb gab es noch die Vorführung von Beduinentänzen – was man sich als langsames Laufen im Kreis vorstellen muss und ab und zu einen Bocksprung dazwischen. Natürlich tanzt der Beduine ohne Frauen – reine Männersache. Zuhause hat er ohnehin so viele Frauen, dass er froh ist, sie nicht auch noch zum Tanze mitnehmen zu müssen. Die Vielehe ist übrigens unter den Beduinen noch immer Prestigesache. Man zeigt seinen Reichtum nicht durch Luxuskarossen oder Armani-Anzüge, sondern durch die Anzahl seiner Frauen. Die leben übrigens nicht alle unter einem Dach zusammen. Nein, der Vielweiber-Beduine finanziert – wenn möglich – jeder Frau ein eigenes Haus und legt sein Ohr und andere Körperteile dort zum Schlafen, wo es ihm gerade am meisten Freude bereitet.

Apropos schlafen. Wir gingen gegen Mitternacht auch zum Schlafen. Allerdings nicht in eines der dunklen Zelte, sondern unter dem freien Sternenhimmel. Auf einem Felsplateau oberhalb des Lagers konnten wir den Sternenhimmel so richtig genießen. Wenn nur nicht die wummernden Bässe die halbe Nacht zu uns heraufgedrungen wären Aber vielleicht war ein bisschen Lärm ganz gut. So konnte man beruhigt von diesen Zivilisationsgeräuschen einschlafen und musste nicht auf das Rascheln von Skorpionen, Schlangen und Wüstenfüchsen horchen.