Donnerstag, 21. Juni 2007

Der siebte Tag, 24.05.07: Von Göreme nach Aleppo, Teil 2

Nachdem wir den Badeausflug überstanden hatten, ging es zügig weiter. Bloß weg! Nebenbei – ein schönes Tal, das wir hier durchfuhren. Es war grün und frisch und hätte ebenso gut in die Alpen oder ein deutsches Mittelgebirge gepasst. Mehrfach sahen wir heute die türkischen Radarfallen. Ganz leicht zu erkennen: immer dann wenn ein (meist heller Pkw) gegen die Fahrtrichtung geparkt am Straßenrand steht, heißt es Fuß vom Gas. Darinnen sitzen zwei Männer, von denen einer eine Laserpistole hat.
Ein verspätetes Mittagessen in einem Autobahnrestaurant mit allerhand Service: Vorher wird ein heißes Tuch gereicht, hinterher ein öliges Spray auf die Handflächen, das nach irgendwelchen Zitrusölen duftet wie Mückenvertreibungsmittel. Und dazwischen? Gözleme – was man Türkeitouristen gerne als turkish Pizza verkauft. Das kann wunderbar lecker sein. Der Teig wird mithilfe eines runden Holzstabes auf einer große Platte papierdünn gerollt, dann auf eine heiße Platte gelegt, mit diversen Zutaten gefüllt, zusammengefaltet und dann gegessen. Erinnert mehr an Crepes als an Pizza, aber Pizza klingt halt eindeutig vertrauter. Die Gözleme an der Autobahnraststätte waren eine trockene Angelegenheit, also nicht der Rede wert. Vor meinem Türkeibesuch las ich noch einen Spiegel-Artikel über die Wasserknappheit in der Türkei. Hier, auf dem Autobahnparkplatz sah das nicht so aus. Wir lernten folgende Geschäftsidee kennen: Man putzt einfach wildfremde Fahrzeuge ohne die Besitzer zu fragen. Kann man auch schlecht fragen, da man stets abwartet bis sie außer Reichweite sind und etwa beim Essen sitzen. Tja und dann kommen die zurück und stehen vor einem blitzblanken Auto. Gott sei Dank hat der Wasserschlauchführer das nicht mit unseren Rallyefahrzeugen gemacht. Wir hätten den Mann mit seinem eigenen Wasserschlauch erwürgt. Jedes Körnchen Dreck war schließlich ehrlich verdient!
Weil sonst nix mehr der Rede wert war, ging es weiter. So schnell, dass wir gegen 18.30 Uhr an der Grenze zu Syrien waren. Nein, nicht ganz. Aber in allernächster Nähe. Zwar sahen die Pläne für den weiteren Abend sehr unterschiedlich aus – die einen wollten gemütlich irgendwo essen und ein Hotel suchen. Die anderen wollten so schnell wie möglich über die Grenze. Warum? Wegen Damaskus. Dort, wo uns der syrische Arbeitskollege von Katja schon erwartete, um uns seine Stadt zu zeigen. Ich erspare den Lesern mal die hässlichen Details der Debatte – in jedem Team knirscht es schließlich mal – und komme gleich zum Schluss. Wir fuhren an diesem Abend noch gemeinsam über die türkisch-syrische Grenze.
Ein kluger Entschluss wie ich fand und immer noch finde. Man muss wissen, dass den Grenzübertritt nach Syrien die wildesten Geschichten umranken. Er solle mehrere Stunden dauern. Von korrupten Grenzbeamten war die Rede. Und dass man nie über die Grenze käme, wenn man sich nicht einer der Führer bedienen würde, die einem durch den syrischen Grenzübertrittsdschungel und seine diversen Schalter, Beamten und Formulare helfen würde. Eine völlig unkalkulierbare Zeitdauer also, die es in Anspruch nehmen würde.
Als wir dort ankamen, waren wir nicht allein. Mindestens 10 andere Teams waren vor uns und mit uns da. Christian vom Team Motel Passarati – netter Teamname übrigens – gab uns eine Blitzeinweisung. Er hatte uns Schritt für Schritt richtig erklärt, aber: verdammt es waren so viele einzelne Schritte. Was wir behalten haben: dass wir uns vor dem Mann mit dem roten Hemd in acht nehmen sollten. Er bietet zwar jedem die Hilfe an, will dann aber 100 bis 150 US Dollar dafür. Absolut vertrauenswürdig sei der Typ im weißen Hemd. Ein Angestellter der syrischen Tourismusbehörde, der das gleiche macht wie der andere Kollege, nur unentgeltlich. Für den Fall, dass jemand demnächst mit dem Auto nach Syrien einreisen möchte, so geht es.

1. An einem Schalter besorgt man sich ein grünes Formular auf einer Art Pappkarton, das man auf Vorder- und Rückseite ausfüllen muss – am besten in Englisch. Da muss man dann allerhand Angaben zur Person und zum Fahrzeug machen. Auch wie lange man in Syrien bleiben möchte, wo man in Syrien wohne, welchem Zweck die Reise diene usw. Man kann auch gefahrlos Felder leer lassen. Denn alles was wichtig ist, wird man ohnehin nochmals gefragt von den Beamten, die den Reisepass entgegennehmen, das Vorhandensein des Visums kontrollieren und dann allerhand in den Computer hacken.
2. Wenn das alles ok ist, muss man sich für 2 US Dollar ein weißes Formular an einem anderen Schalter kaufen. Problem: es muss in Arabisch ausgefüllt werden. Dabei hilft dann ein Mensch in weißem oder rotem Hemd.
3. Mit dem arabisch ausgefüllten Formular, dessen Inhalt man nicht kennt, geht man zum Checkpoint. Der Grenzbeamte stempelte es ab. Oder auch nicht.
4. Wer den Stempel auf dem Formular hat, muss es bei einem Ober-Chef vorlegen: der wohnt/arbeit im zweiten Stock des Gebäudes. In unserem Fall sah es so aus als schliefe er schon. Er empfing uns im Trainingsanzug und lud uns ein, in den geräumigen Sofas zu sitzen. Es folgten ein paar Fragen im Plauderton, nur der Tee fehlte, ob wir die Grüne Versicherungskarte hätten? Tja, gut sie dabei zu haben, auch wenn sie in Syrien nicht gilt. Das verstehe wer will, aber ohne diese Grüne Karte vielleicht kein Stempel und das ist, was wir von dem Herrn wollen. Irgendwann zieht er aus der Tasche seiner Trainingshose das begehrte Werkzeug und drückt es auf den weißen Zettel. Danke Allah!
5. Den geben wir jetzt am Schalter x ab.
6. Wir gehen zum Schalter der Bank und tauschen dort 36 US Dollar für die Autoversicherung, sowie 65 US Dollar für den Zoll in syrische Pfund.
7. Wir zahlen 36 US Dollar am Versicherungsschalter, rechts der Bank ein.
8. Wir zahlen 65 US Dollar am Schalter des Zolls links der Bank ein und haben ein Problem. Denn die vorher in syrische Pfund getauschten Dollar entsprechen nun nicht mehr dem geforderten Betrag des Beamten. Es fehlen drei Dollar. Also nachzahlen!
9. Wir bekommen irgendwelche Zollpapiere und eine Versicherungspolice und müssen die am Checkpoint vorzeigen. Danach: Einreise! Endlich. Allerdings sitzt in dem Häuschen am Checkpoint ein einsamer Beamter mit unseren Pässen und Papieren und fängt an, unsere Einreise in ein riesiges Buch einzutragen. So stellt man sich Buchhalter in einem Roman von Kafka vor. Plötzlich stoppt er beim Schreiben, sieht mich an, und schlägt die letzte Seite seines dicken Buches auf. Geld! Lauter Geldscheine. Ihr werdet schon merken, wenn ein Beamter Geld will, haben uns die Leute vom Rallyeorganisationskomitee gesagt. Jetzt war es deutlich. Leider habe ich weder die erforderlichen syrischen Banknoten, noch die jetzt geforderten zwei US Dollar. Zwei Euro eigentlich. Viel mehr will der Mann nicht. Das könnte jetzt stundenlang so gehen, bis ein freundlicher Araber auf der Durchreise hereinkommt und sich bereit erklärt auch mein Bestechungsgeld zu übernehmen. Vielen Dank auch!

Nie wäre ein Grenzübertritt länger – 165 Minuten! Andere Teams, die sich den herrschenden Verhältnissen weniger geschmeidig angepasst haben – vielleicht Siemens Mitarbeiter, die ja angeblich absolutes Schmierverbot haben – brauchten bis zu sechs Stunden.
Übrigens, in der Grenzstation hat man die Bilder des Staatspräsidenten Baschar al-Assad alle schief aufgehängt. Ob das eine Art von Kritik war?
Kaum hinter der Grenze sahen wir Folgendes: unbeleuchtete Mopeds, deren Fahrer riesige Plastiktonnen über Seitenwege transportierten. Und überhaupt – die Fahrt nach Aleppo zeigt uns all das, wovor man uns in Bezug auf Rumänien gewarnt hatte. Alles, was Räder oder Beine hatte, war irgendwie auf der Straße. Es heißt ja oft, dass das Leben im Orient draußen stattfindet. Dass aber damit auch Hauptverbindungsstraßen gemeint sind, ist eher verwirrend. Sehr spät kamen wir in Aleppo an – der Stadt mit dem angeblich schönsten Suk Syriens – Orientierung war völlig unmöglich. Wir waren müde, es war dunkel und wir hatten genug zu tun, auf den chaotischen Verkehr zu achten. Wer kann da noch Hotelhinweisschilder auf Arabisch entziffern?
Wieder mal führten uns zwei Einheimische zu einem Hotel. Es folgte ein Schnellkurs in arabischem Handeln – erst sagen ob du es willst, dann wird über den Preis verhandelt. Was für einen Deutschen natürlich seltsam ist. Jedenfalls wollte Albert zuerst den Preis erfahren und dann sagen, ob ihm das Zimmer gefiel. So kam die Feilscherei aber nicht in Gang. Zur Strafe nannte der Hotelmanager einen horrenden Preis: 45 Dollar für das Zimmer. Mein Glück! Denn ich wollte in dem stinkenden Hotel mit dem endlosen Betonflur ohnehin nicht übernachten. So müde kann man gar nicht sein, dass man den Dreck übersieht. Wir gingen – aber der Hotelmanager folgte uns bis nach draußen, reduzierte den Preis auf 24 Dollar und den Teammitgliedern gefiel es plötzlich wieder! Na gut, es war ein lichtloser unterirdischer, muffiger Bunker, in dem wir kaum Luft bekamen. Aber wir hatten immerhin keine Mitbewohner. Oder hatten sie vor Müdigkeit übersehen. Bei Helmut und Aui im Zimmer liefen die Kakerlaken die ganze Nacht auf dem Boden herum und die Wände hoch. Ist mir schleierhaft wie sie da ein Auge zutun konnten. Aber sie kamen am nächsten Tag recht ausgeruht zum Frühstück.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hi liebe Reisenden... Ich habe Teile eurer Reisegruppe in der Nähe des Toten Meeres (bei Johannes dem Täufer) getroffen und daraufhin meinen Reiseblog mit dem eurem verlinkt... Habe mit viel Vergnügen die Reise verfolgt und warte auf den nächsten Teil... Wenn ihr ebenfalls Lust auf ein Reiseblog habt: Hier
Grüße, David

Bernd hat gesagt…

Hi David. Danke für den Link! Werde jetzt mit Spannung deine Reiseschilderungen verfolgen und dich bald verlinken. Ha und du schreibst auch Culturjamming. Gefällt mir.

Anonym hat gesagt…

Hallo Bernd,

was ist los, wir warten alle auf die Fortsetzung ??

Liebe Grüsse
Simone (=Frau von Aui)

Bernd hat gesagt…

Hallo Simone
ach wenn da im Moment nicht so viel andere Arbeit wäre. Aber im Augenblick sitze ich wieder dran am Reisetagebuch... eine ersten Teil von den Erlebnissen in Damaskus gibts dann gleich noch..
Liebe Grüße

Bernd